Grundlagenforschung
Kardiovaskuläre Alterung
Oskar-Lapp-Forschungspreis 2023
Ass. Prof. Dr. Mahmoud Abdellatif
Die Rolle des insulinähnlichen Wachstumsfaktors 1 bei der Alterung des Herzens
Obwohl das Altern unaufhaltsam die physiologischen Funktionen jeder Zellart im Körper beeinträchtigt, könnten Kardiomyozyten, die einzige kontraktile Zellart im Herzen, einem besonders erhöhten Risiko für altersbedingte Funktionsstörungen und Versagen ausgesetzt sein. Das liegt daran, dass diese Zellen hochspezialisiert sind und unter feindseligen Bedingungen arbeiten müssen, die durch unaufhörlichen mechanischen Druck und Scherkräfte gekennzeichnet sind. Die Erlangung einzigartiger Funktionen erfolgt jedoch auf Kosten eines Zellzyklusrückzugs. Als solche haben diese terminal differenzierten Zellen eine begrenzte proliferative Kapazität und müssen unter den stressigen Arbeitsbedingungen des kardiovaskulären Systems während des gesamten Lebens des Individuums ausharren. Tatsächlich unterzieht sich das Herz mit dem Altern einer erheblichen strukturellen und funktionalen Umgestaltung.
Der Insulinähnlicher Wachstumsfaktor 1 (IGF1) Signalweg ist ein Hauptregulator des Zellstoffwechsels, des Wachstums und des Alterns. Während die Hemmung der IGF1 Signalübertragung die Langlebigkeit in verschiedenen Tierarten erhöht, bleibt die Wirkung der reduzierten IGF1-Signalaktivität auf die allgemeine Gesundheitspanne und auf Krankheitsverläufe, mit Ausnahme von Krebs, jedoch weitgehend umstritten. Bisherige experimentelle Studien haben gezeigt, dass eine erhöhte IGF1-Signalaktivität im Herzen sowohl negative als auch positive Wirkungen auf die Herzfunktion ausüben kann. Trotz großer Relevanz des kardialen IGF1-Signalwegs auf die Herzfunktion blieben diese kontroversen Ergebnisse lange ungeklärt.
Wir führten eine lebenslange Studie durch, um die kardiale Gesundheit und die Lebensdauer in zwei transgenen Mausmodellen mit kardiomyozytenspezifischer verstärkter oder reduzierter IGF1-Rezeptor (IGF1R)-Signalgebung zu bewerten. Männliche Mäuse mit menschlicher IGF1R-Überexpression oder dominant negativer Phosphoinositid-3-Kinase-Mutation wurden in verschiedenen Lebensphasen mittels Echokardiographie, invasiver Hämodynamik und Laufbandtests in Verbindung mit indirekter Kalorimetrie untersucht. In-vitro-Assays umfassten kardiale Histologie, mitochondriale Atmung, ATP-Synthese, autophagischer Fluss und gezielte Metabolom-Profiling, sowie Immunoblots wichtiger IGF1R-Downstream-Zielmoleküle in explantierten, versagenden und nicht versagenden Herzen von Mäusen und Menschen.
Wir konnten an zwei transgenen Mausmodellen mit reduzierter versus verstärkter kardiale IGF1-Signalaktivität zeigen, dass junge Mäuse mit erhöhter IGF1-Signalaktivität eine verbesserte Herzfunktion aufwiesen. Im Vergleich zu Wildtyptieren, nahm die Herzfunktion mit zunehmendem Alter steigend ab und führte zu Herzinsuffizienz und verkürzter Lebensspane. Im Gegensatz dazu zeigten Mäuse mit einer niedrigeren kardialen IGF1-Signalaktivität zu Beginn ihres Lebens eine schlechtere Herzfunktion, die aber während des Alterns für verbesserte Herzleistung sowie für verlängerte maximale Lebensdauer verantwortlich war. Die nachteiligen Auswirkungen der erhöhten IGF1-Signalaktivität in der späteren Lebensphase korrelierten mit verminderter Autophagie und einer beeinträchtigten oxidativen Phosphorylierung im Herzen. Eine niedrige IGF1-Signalaktivität hingegen verbesserte die myokardiale Bioenergetik und die Funktion des alternden Herzens. Diese herzschützenden Effekte waren Autophagie-abhängig. In humanen Myokardbiopsien von Patienten mit Herzinsuffizienz konnten wir eine erhöhte IGF1-Rezeptorexpression und IGF1-Signalaktivität nachweisen.
Diese Studie bedeutet einen Paradigmenwechsel in der ständigen Suche nach einer Verzögerung des menschlichen Alterns und sie liefert wichtige Erkenntnisse über entscheidende Feinregulation des kardialen IGF1-Signalwegs für die Prävention von Herzerkrankungen. Zukünftige Studien werden zeigen, ob pharmakologische Inhibitoren des IGF1-Signalwegs altersbedingte Herzerkrankungen verhindern könnten.
Das Alter sollte als entscheidender Faktor für das Ergebnis in zukünftigen klinischen Studien berücksichtigt werden, die IGF1R/Phosphoinositid-3-Kinase-Inhibitoren auf ihre kardialen Vorteile hin untersuchen.
„Die Studie liefert wichtige Erkenntnisse über die entscheidende Feinregulation des kardialen IGF1-Signalwegs für die Prävention von Herzerkrankungen“
Ass. Prof. Dr. Mahmoud Abdellatif
Tätigkeit zum Zeitpunkt der Preisverleihung
Junior-Gruppenleiter an der Klinischen Abteilung für Kardiologie, Medizinische Universität Graz, Graz, Österreich
Derzeitige Tätigkeit
Assistant Professor für kardiovaskuläres Altern an der Klinischen Abteilung für Kardiologie, Medizinische Universität Graz, Graz, Österreich
- Abdellatif, M. et al. Fine-tuning cardiac insulin-like growth factor 1 receptor signaling to promote health and longevity. Circulation. 2022 Jun 21;145(25):1853-1866. doi: 10.1161/CIRCULATIONAHA.122.059863